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kath 2:30 Dies DominiZigarettenkippen auf dem Bürgersteig, die Verpackung des Schokoriegels einfach fallengelassen, die Straße voller Schlaglöcher, marode Schrottimmobilien drohen einzustürzen – dieses Florilegium urbaner Realitäten prägt viele Städte im Westen Deutschland. Wuppertal ist da nicht allein – Gelsenkirchen, Oberhausen, Ludwigshafen: die Liste der Städte, die ihre besten Zeiten hinter sich zu haben scheinen, ist lang. Man fühlt sich nicht abgehängt, zurückgeblieben, nicht gesehen von „den Eliten“, wer auch immer diese Eliten sein mögen.

Im Osten Deutschlands haben sich viele Städte nach der Einheit herausgeputzt: Dresden, das Florenz an der Elbe, erstrahlt in altem Glanz, Leipzig ist eine Reise wird und selbst Görlitz am äußersten östlichen Rand Deutschlands hat sich herausgeputzt. Es sind lebenswerten Orte geworden. Mittlerweile sind auch die materiellen Unterschiede, was Lohn und Rente betrifft, immer geringer geworden oder teilweise sogar verschwunden. Und trotzdem fühlt man sich abgehängt, zurückgeblieben, nicht gesehen von „den Eliten“, wer auch immer diese Eliten sein mögen.

Drüben wie hüben besteht eine fundamentale Einheit in der Befindlichkeit des Abgehängtseins. Vater Staat scheint seine Kinder alleine gelassen zu haben. Was glauben Sie denn?

Tatsächlich muss eine Haltung, die auf Vollumsorgung angelegt ist, in einer Demokratie enttäuscht werden. Die Demokratie lebt vom mündigen und erwachsenen Bürger, dessen Sinne, wie es der Hebräerbrief sagt,

„durch Gebrauch geübt sind, Gut und Böse zu unterscheiden“ (Hebr 5,14).

Stattdessen scheinen viele aber nach in einer – im wahrsten Sinn des Wortes – kindischen Verantwortungslosigkeit zu streben, die die Sorgen, Herausforderungen und Zumutungen des Alltages an eine höhere Autorität wegdelegieren möchte. Möglicherweise liegt hier der Grund, dass gegenwärtig jene Parteien zunehmenden Zulauf verzeichnen, die – mit oft leeren Versprechungen – dieses Bedürfnis nach autoritärer Führung verheißen. Das Problem der Demokratie ist nämlich genau das: Es gibt keine Untertanen, die sich irgendwelchen „Eliten“ unterzuordnen hätten. Demokratie lebt von erwachsenen Bürgerinnen und Bürgern, die bestenfalls Mandate auf Zeit vergeben, nicht aber eine autokratische Autorität ermächtigen, sondern im Idealfall sich selbst als Verantwortungsträger. Was aber kann der einzelne Mensch schon bewirken?

Viel! Als mündige Bürgerinnen und Bürger sollte man deshalb nicht in luftige Höhen nach irgendwelchen „Eliten“ schauen. Es ist wie beim Beten: Wer Gott als „Elite“ versteht, die für alles zu sorgen hat und das Gebet nur als Anforderungen eigenen Wohlbefindens versteht, wird enttäuscht sein. Schnell ist die Frage bei der Hand, warum Gott denn nichts tue und schweige. Dabei ist die Antwort Gottes längst gegeben. Als Jesus, den Christen als Sohn Gottes bekennen, vor der Aufgabe steht, 5.000 Menschen zu versorgen, fordert er seine Jünger auf:

„Gebt ihr ihnen zu essen!“ (Mt 14,16)

Offenkundig mutet Gott seinem Ebenbild zu, selbst Verantwortung zu übernehmen – und das im eigenen Alltag. Man muss keine Zigaretten oder den eigenen Müll auf den Boden fallen lassen, man kann die Verwaltung nerven bis die Schlaglöcher endlich beseitigt werden und Eigentum – auch immobiles – verpflichtet zur eigenen Sorge für das Gemeinwohl; und dass man vor 35 Jahren (am 11.9.1989 um 0.00 Uhr öffneten sich die Schlagbäume in Ungarn und über 25.000 DDR-Bürger suchten den Weg von der autoritären Führung in die Freiheit) die Diktatur selbsternannter Eliten satt hatte, sollte doch Mahnung genug sein, sich nicht vorschnell wieder selbst zu entmündigen, sondern das Geschaffte als Ansporn zu nehmen, darauf aufbauend die eigene Zukunft zu gestalten. Demokratie ist nichts für Milchtrinker, sondern Schwarzbrotessen! Wir müssen endlich wieder schaffen und anpacken. Fangen wir vor der eigenen Haustür an!

Dr. Werner Kleine

Erstveröffentlicht  in der Westdeutschen Zeitung vom 13. Septembert 2024.

Author: Dr. Werner Kleine

Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.

2 Kommentare

  1. Udo Mauroschat schrieb am 16. September 2024 um 13:59 :

    Lieber Herr Kleine.
    Zur Zeit sind wir in der Schweiz und haben Ihre Kolumne in der WZ „Dann wollen wir schaffen“ mit Begeisterung gelesen. Der Bürger in unserem Alter sucht doch ständig nach den Ursachen, warum diese neuen Parteien einen unverständlichen Zulauf verbuchen können. Sicherlich haben die uns bekannten und wählbaren Parteien gewisse Probleme etwas verschlafen oder laufen lassen, aber man reagiert jetzt und in einer Demokratie sind oder müssen Mechanismen eingebaut, die den Bürger schützen und mitnehmen wollen. Erstaunlich, dass gerade die Jüngeren in unserem Lande die schnellen Lösungen wünschen oder den Populisten eher Vertrauen schenken als einer doch gut funktionierenden Demokratie. Sie haben in Ihrer Kolumne und im übertragenen Sinne gilt das auch für unsere Kirche, den Nagel auf den Kopf getroffen. Demokratie und Kirche erwartet unsere Mitarbeit. Wir sind die arbeitenden Hände in beiden Fällen und das Desinteresse an diese beiden Institutionen fängt ja damit an, wenn man sich eben nicht um den weggeworfenen Müll usw. kümmert und im Delegieren zu schnellen Lösungen verharrt. Leider sind diese Tendenzen in unseren östlichen Ländern noch stärker vertreten, liegt es vielleicht doch daran, dass Kirche in diesen Teilen unseres Landes 40 Jahre unterdrückt wurde? Dann wird es hoffentlich nicht in unseren Regionen verspätet herüberschwappen. Diese, Ihre Kolumne, müsste wirklich auch den Weg in diese Länder führen, nur wie?

    Wir danken für Ihren Einsatz zur Demokratie in unserem Lande. U.u.U Mauroschat

    • Gerhild Pinkvoss-Müller schrieb am 18. September 2024 um 14:23 :

      Lieber Dr. Kleine,
      herzlichen Dank für Ihren offenen Kommentar, der mir tief aus der Seele spricht. Demokratie erwartet Engagement: inhaltliche Auseinandersetzung, auch Kritik aber nicht nur aus einem selbstbezogenen Blickwinkel. Und was die Vollversorgung betrifft, da habe ich den alten Spruch „Machen statt meckern“ gerne im Hinterkopf.
      Das gilt auch für die katholische Kirche … obwohl diese ja keine „Demokratie“ verkörpert!! Immerhin: Taten statt warten (und nur zu meckern und zu fordern) ist auch hier das Motto, wenn man Erneuerung anstrebt.
      Für mich ist die City-Kirche Wuppertal dafür ein ermutigendes Beispiel. Hoffentlich ein „überschwappendes“ in andere Gemeinden.
      Mit Dank für Ihr Engagement und Gruß an Sie!

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